Die Macht unserer Gefühle auf unseren (Arbeits-)Alltag – und wie wir das Ruder in die Hand nehmen

Man hat ein schlechtes Bauchgefühl, das Gefühl etwas stimmt nicht, oder Lust auf ein neues Projekt. Gefühle steuern uns im Alltag mehr als uns das oft bewusst ist. Doch was sind eigentlich Gefühle? Und kann man sie steuern? Oder beherrschen Sie uns?

Was sind Emotionen?

Wissenschaftlich betrachtet spricht man hier von Emotionen. Gefühle sind ein Teil davon. Doch es gibt bislang keine einheitliche Definition von Gefühl oder Emotion. Was jedoch immer klarer wird – letztlich auch durch neurobiologische Untersuchungen: Emotionen beeinflussen uns alle jeden Tag enorm und zwar auch ohne, dass unser Bewusstsein davon etwas weiß.

Viele Autoren beschreiben Emotionen als Konstrukt, das aus folgenden Elementen besteht:

  • körperliche Reaktion (z. B. Herzrasen als physiologische Erregung)
  • erlebter Gemütszustand (subjektives Gefühl)
  • motivationale Komponente (intentionale Steuerungsvorgänge)
  • Verhalten (z. B. Mimik, Gestik, Körperhaltung, Bewegung)
  • u. U. bewusste Wahrnehmung der Ursache und Bewertung der Emotion (kognitive Verarbeitung)

Es gibt zudem sog. Basisemotionen oder Primäremotionen: Trauer, Zorn, Überraschung, Angst, Ekel, Verachtung und Freude. Sie werden interkulturell mit einem angeborenen Gesichtsausdruck und Verhaltensmuster verbunden. Im Laufe der Sozialisation werden diese überformt oder kombiniert, sodass z. B. Stolz, Scham oder Dankbarkeit ausgedrückt werden können. Oder auch, dass wir gelernt haben uns „zusammenzureißen“. Doch leider zeigt sich der wahre Gesichtsausdruck doch für wenige Millisekunden, was ausreicht, um ihn unbewusst wahrzunehmen.

Damit entsteht eine große Bandbreite an Emotionen und Ausdrucksformen, die wir erstmal selbst verstehen und erkennen müssen. Mimik und Gestik, also nonverbale Kommunikation, sind wesentliche Ausdrucksformen von Emotionen.

Doch wozu sind Emotionen eigentlich gut?

Funktionen von Emotionen

Nonverbale Interaktion

Evolutionär betrachtet bieten Emotionen einen Überlebensvorteil, da sie den Körper innerhalb von Millisekunden in Alarmbereitschaft versetzen können. Im heutigen Alltag sind Emotionen für das soziale Miteinander wichtig, da die entsprechende Mimik im Gespräch Hinweise auf die Befindlichkeit gibt. Emotionen sprechen demnach nonverbal immer mit. Die richtige Interpretation der Mimik ist jedoch nicht selbstverständlich und kann auch leicht zu Missverständnissen führen. Dennoch haben wir oft ein gutes intuitives Gespür dafür, wann jemand zum Beispiel auf gar keinen Fall angesprochen werden möchte oder wann etwas Gesagtes irgendwie unglaubwürdig scheint (dann könnte es sein, dass versucht wird eine Emotion zu verschleiern).

Gefärbte Erinnerung

Die emotionale Befindlichkeit beeinflusst die Erinnerungsfähigkeit: Situationen, die mit einer Adrenalinausschüttung, also hoher Erregtheit einhergingen, prägen sich besonders gut in das Gedächtnis ein. Man kann sich emotionale Situationen besser merken, da diese im Langzeitgedächtnis verstärkt konsolidiert werden. Nicht nur das Speichern, auch das Erinnern ist emotional selektiv. Eine gespeicherte Erfahrung wird stets zusammen mit einer emotionalen Bewertung abgespeichert (emotionaler Erfahrungsspeicher). Aus diesem emotionalen Erfahrungsspeicher speist sich auch die Intuition. Unsere Erinnerung beeinflusst damit auch immer das Hier und Jetzt.

Motivation

Die Grenze zwischen Emotion und Motivation ist somit sehr unscharf. Emotionen haben direkten Einfluss auf das Motivationssystem des Menschen und damit auf dessen Verhalten. Sie steuern die Energieaufwendung für die Aufgaben- und Situationsbewältigung. Die sog. hedonistische Position besagt, dass Lustauslösendes wiederholt und Unlustauslösendes vermieden wird: Dinge,

die mir Freude bereiten, beginne ich also gern und schnell, während Dinge, die mir wenig Freude bereiten auch mal aufgeschoben werden (bis der Stress so groß wird, dass die Angst die deadline zu reißen größer ist als die Unlust zu beginnen). Emotionen haben damit eine handlungsleitende Funktion.

Die Befriedigung aller Grundbedürfnisse äußert sich in der Sprache der Emotionen. Und die Emotion sorgt dafür, dass ich etwas unternehme: Fühle ich mich unsicher, bekomme ich Angst und vermeide die Situation. Fühle ich mich nicht wertgeschätzt, werde ich zornig und habe die Energie meine Grenzen bewusst zu vertreten.

Daraus entstehen sog. Vermeidungs- oder Annährungsziele. Angst lässt eher vermeiden. Sie hat daher oft die Qualität uns zu warnen und zu bremsen, was sehr sinnvoll sein kann, aber auch zur persönlichen Limitierung führt. Und Angst basiert immer auf vergangenen Erfahrungen (s.o.). Wer sagt jedoch, dass die Zukunft genauso wird, wie die Vergangenheit?

Selbstwertgefühl

Emotionen sind außerdem für das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl essenziell. Neben Gedanken über sich selbst ordnen ebenso Emotionen die Struktur des Bewusstseins. Fühle ich mich also unattraktiv, inkompetent, ungeschickt, verstehe ich diese subjektive Bewertung als Teil meiner Identität. Mit diesem emotionalen Bauchgefühl begegne ich der Welt und werde damit wahrscheinlich wiederum Erfahrungen machen, die mein Gefühl bestätigen (self fulfilling prophecy).

Durch ein Selbstbewusstsein im Sinne der Fähigkeit des Menschen, sich seiner selbst bewusst zu werden, werden Sinneseindrücke jedoch entsprechend geordnet und im Gehirn rekonstruiert. Das Selbstwertgefühl ist daher ein flexibles Muster, das bewusst positiv ausgerichtet werden kann. Und Emotionen tragen dazu bei, die Balance des Selbstwertes aufrechtzuerhalten. Schaffe ich es also proaktiv Selbstvertrauen entstehen zu lassen, gehe ich Aufgaben mutiger an. Vertrauen hat demnach eher die Qualität von Wagnis, Mut, Inspiration, Kreativität, Ausprobieren. Hieraus entsteht leichter eine Annäherungsmotivation, die persönliches Wachstum fördern kann. Was wiederum den Zusammenhang zur Motivation aufzeigt.

Konstruktiver Umgang mit Emotionen – deine Emotionen gehören dir

Emotionen sind daher immer Teil deiner Interaktion, Kommunikation, Erinnerung, Handlung und sogar deiner Identität. Emotionen sind ebenso Teil der Informationsverarbeitung und damit erstmal ein innerer Teil jedes Menschen. Umso überraschender finde ich es, wenn Emotionen abgetan werden als „wischi-waschi“, Soft Fact, schwach oder etwas, vor dem sich sogar in Acht nehmen soll, um nicht von ihnen überrollt zu werden. Das wäre, als würde man sich bewusst ein Auge zuhalten. Solch eine Haltung rührt meiner Erfahrung nach aus Unwissenheit und Unsicherheit.

Es gilt also sich bewusst mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen (und damit einhergehend natürlich auch mit den eigenen Gedanken, denn beide bedingen sich ja gegenseitig). Künftig kannst du also Situationen, in denen du emotional wirst, als Lernchance begreifen.

Umgang mit emotionalen Situationen  

Zunächst möchte ich klar machen: Wenn dich gewisse Situationen oder Menschen emotional werden lassen, entsteht die Emotion in dir. Es ist dein Prozess. Es sind deine Erfahrungen, deine Bedürfnisse, deine Urteile, die daraus ein Gefühl entstehen lassen, das dich triggert. Das dein Motivationssystem anschmeißt, denn das ist ja eine Funktion von Emotionen. So sehr dich zum Beispiel jemand ärgert, ist es dein Körper, in dem die Emotion entsteht. Damit hast du die Chance damit umzugehen.  

Der leichte Weg ist sich über das Gegenüber aufzuregen. Den eigenen Ärger auf eine andere Person zu projizieren. Psychoanalytisch handelt es sich hierbei übrigens um einen unreifen Abwehrmechanismus. Aber hey, solange das nicht deine einzige Strategie ist mit Ärger klar zu kommen, kann es auch mal ein guter Start sein sich über das Gegenüber aufzuregen 😉. Schließlich setzt Ärger Energie frei.

Doch im zweiten Schritt frage dich ehrlich: Warum macht es mir so viel aus? Welches Bedürfnis ist verletzt? Welche Seite wird dort ausgelebt, die ich mir verbiete? Was hat das mit mir zu tun? Wie könnte ich noch reagieren? Welches konstruktive Feedback könnte ich geben?

Denn das ist deine Chance zu wachsen und daraus eine Menge über dich zu lernen. Fange bei dir an und nicht beim Gegenüber, denn dann ist dein Wohlbefinden nicht von deiner Außenwelt abhängig. Du kannst künftig in ähnlichen Situationen cool bleiben.

Im dritten Schritt kanalisiere die Emotion (z.B. den Ärger) – falls noch nötig - zurück zum Empfänger. Gib ihm ein klares Feedback und lasse die Emotion bei deinem Gegenüber. Du bist ebenso nicht verantwortlich für die Emotionen, die im Gegenüber entsteht. Das ist nicht dein Job.

Vorsicht! Einen Fehler, die hier viele begehen ist, dass die Emotion stattdessen auf jemanden andern umgeleitet, also verschoben wird (weiterer unreifer Abwehrmechanismus). Zum Beispiel fällt es uns manchmal leichter unsere Anspannung nach der Arbeit am Partner oder sogar den Kindern auszulassen. Mit ihnen sind wir vertrauter, daher lassen wir uns leichter gehen. Sie werden es uns auch verzeihen. Aber wir müssen es ja nicht unbedingt testen.

Also betrachte deine Emotionen als etwas, das in dir entstanden ist und das seinen Sinn hat. Mache beiden Augen auf. Durch einen bewussten Umgang und eine aktive Selbstreflexion kannst du lernen, welche Gefühle dich wie beeinflussen. Dafür ist etwas Training und Selbstbeobachtung nötig. Doch unsere Emotionen sind genauso ein Teil von uns wie unsere Kognition. Nur haben wir in unserer Gesellschaft irgendwie gelernt nur auf eine Seite der Medaille den Fokus zu legen.

Coachinginput: Selbstreflexion emotionaler Muster

Folgende Reflexionsfragen unterstützen dich dabei dein Emotionsruder wieder selbstbewusst in die Hand zu nehmen und damit gezielt zu steuern, anstatt dich von der nächsten Welle treiben zu lassen.

Nimm dir dafür am besten ein paar Tage Zeit und einen Notizzettel, auf den du schnell zugreifen kannst. Denn es kann gut sein, dass du in dieser Zeit Ereignisse oder Emotionen plötzlich anders wahrnimmst und dir das schnell notieren möchtest.

Nachdem du nun mehr Hintergrundwissen zu Emotionen gelernt hast, frage dich selbst:

  • Welche Emotionen begleiten dich in deinem Alltag häufig?
  • Auf welche Situationen reagierst du emotional?
  • Welche unerfüllten Bedürfnisse stecken dahinter?
  • Was möchte dir die Emotion mitteilen? Wofür ist sie gut?
  • Was wünschst du dir eigentlich?
  • Bist du im Leben mit mehr Annäherungs- oder Vermeidungszielen ausgestattet?
  • Was könnte dein nächstes Ziel sein, wenn du nur auf dein Bauchgefühl und nicht auf deinen gedanklichen Kritiker hörst?

Ich wünsche dir viele spannende Erkenntnisse und Gefühle!

Lust auf mehr?

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Theoriequellen (wer sich weiter vertiefen möchte)

Bänninger-Huber, Eva (1996): Mimik – Übertragung – Interaktion. Die Untersuchung affektiver Prozesse in der Psychotherapie. 1. Aufl. Bern [u. a.]: Huber.

Damasio, Antonio R. (2000): Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins. München: List.

Ekman, Paul (2010): Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren. 2. Aufl. Heidelberg: Spektrum, Akad. Verl.

Friesenhahn (2017): Kommunikation als Basis wirkungsvollen Führungskräfte-Coachings. Heidelberg: Springer

Grawe, Klaus (2004): Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe

Hülshoff, Thomas (2006): Emotionen. Eine Einführung für beratende, therapeutische, pädagogische und soziale Berufe; zwei Tabellen. 3. Aufl. München [u. a.]: Rein-hardt.

LeDoux, Joseph E. (2003): Das Netz der Gefühle. Wie Emotionen entstehen. 2. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl.

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