Was Stress und Konflikte auf der Arbeit mit Ihrer Familie zu tun haben und 5 Erste Hilfe Tipps zur Auflösung

Ich sage ja immer: „Wo Menschen zusammenarbeiten, da menschelt es.“ Wir sind Arbeitskollegen und -kolleginnen und jeder und jede bringt tagtäglich ihren eigenen Rucksack mit zur Arbeit. Dieser ist vollgepackt mit Erfahrungen, Erinnerungen, Glaubenssätzen, Charaktereigenschaften, typischen Verhaltensmustern und individuellen Kommunikationsweisen – maßgeblich geprägt von unserer Familie.

Und so treffen wir nun aufeinander. Morgens im Aufzug, nachher im Meeting, später in der Kaffeepause. Je nachdem wie die Tagesstimmung ist, birgt es mal mehr, mal weniger Konfliktpotential. Die Idee vom professionellen Miteinander auf Sachebene ist dabei eben nur eine Seite der Medaille. Die Beziehungsebene wird dabei gern außen vorgelassen, zumindest offiziell.

Nicht zuletzt ist es aber genau die Beziehungsebene, die z.B. in Hochleistungsteams dafür sorgt, dass deren Kommunikation reibungslos verläuft, kritische Punkte konstruktiv gelöst werden können und man wirklich am gleichen Ziel arbeitet.

Und mal ehrlich – wer kennt ihn oder sie nicht: Den cholerischen Chef, dem man lieber aus dem Weg geht oder den nervigen Teamkollegen, bei dem man schon Puls bekommt, wenn er nur den Mund auf macht, weil er einfach nur nervt?!

Das sind sichere Zeichen dafür, dass Sie gerade die Dose „Familiengeschichte“ aus Ihrem Rucksack ausgepackt haben. Und das geht unbewusst so schnell, dass wir oft gar nicht merken, wie uns unsere familiär geprägten Muster in den Arbeitsalltag begleiten.

3 Fragen, an den Sie erkennen, dass Sie Ihre Familie unbemerkt mit zur Arbeit nehmen

  1. Regen Sie sich immer wieder über eine bestimmte Person auf? Nicht nur über ihr Verhalten, sondern auch schon wenn Sie sie nur sehen? (innere Antreiber)
  2. Fühlen Sie sich manchmal ganz schlecht, traurig, klein, wenn Sie vor einem Problem stehen oder haben Sie das Gefühl alles allein machen zu müssen? (inneres Kind)
  3. Erkennen Sie Parallelen wie Sie im Job behandelt werden und wie Sie es von zuhause gewohnt sind? (gelerntes Beziehungsverhalten)

Warum nehmen wir quasi unsere Eltern mit in den Job?

Hierfür gibt es psychologisch gesehen einige Gründe, je nachdem aus welchem Blickwinkel man schaut. Klar ist jedoch, dass wir in unserer frühen Kindheit (d.h. bis zum 6. Lebensjahr) alle Erfahrungen und impliziten wie expliziten Botschaften unserer Eltern aufsaugen wie ein Schwamm. Die Logik dahinter ist das Bedürfnis nach Sicherheit und Überleben. Wir sind total abhängig von unseren Eltern, also schlussfolgern wir, alles was sie machen, muss gut und überlebenswichtig sein.

Inneres Kind und Antreiber

Wir gehen als Kinder also davon aus, dass alles, was unsere Eltern tun gut ist. Also passt sich die kindliche Psyche schnell an familiäre Muster an. Anteile, die nicht gern gesehen werden und kein Lob, sondern Bestrafung erfahren, werden abgespalten. In der Psychologie spricht man dann von einem sog. Inneren Kind oder verlassenen inneren Kind. Treffen wir später auf Menschen, die diese Anteile ausleben, sträuben wir uns dagegen, weil sie uns unbewusst genau an diese abgelehnten Teile erinnern. Vielleicht wären wir dabei unbewusst gern auch so oder würden uns zumindest eine Scheibe abschneiden wollen.

Lässt sich also z.B. ein Kollege immer unendlich viel Zeit mit der Erstellung einer Präsentation oder geht er jeden Tag pünktlich nachhause, könnte das Verhalten bereits Wut auslösen bei Menschen, die in der frühen Kindheit gelernt haben, sich lieber zu beeilen oder lieber einen Schritt mehr zu machen als andere, weil sie nur dann von den Eltern geliebt wurden. So haben sie also Bestätigung erfahren und Wertschätzung. Also wertschätzen wir Langsamkeit bei anderen nicht - im Gegenteil.

Diese sog. „Antreiber“ (sei schnell, streng dich an, sei gefällig, sei stark, sei perfekt) werden dabei so früh im Laufe der Sozialisation geprägt, dass wir uns diesen ohne Selbstreflexion nicht bewusst sind. Sie sind uns so dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir glauben, es ist so und jedem geht es so und wer sich nicht so verhält provoziert.

Damit provoziert der besagte Kollege aus dem Beispiel jedes Mal unsere Sicht auf die Welt, indem er sich die Freiheit nimmt entgegen unserer Muster zu handeln. Dies löst automatisch Unverständnis oder auch Zorn aus. Ein Wort oder ein neckender Kommentar ergibt dann schnell das nächste Wort und schon ist ein Konflikt in Gange. Finden solche Situationen häufiger statt, ohne dass die Antreiber und Bedürfnisse dahinter reflektiert werden, triggert uns der besagte Kollege bald schon beim bloßen Anblick. Wir rollen innerlich oder äußerlich mit den Augen, wenn wir sehen, wie er pünktlich das Büro verlässt oder sind schlecht gelaunt, wenn ausgerechnet von ihm wieder eine Präsentation abgeliefert werden soll.

Beziehungsverhalten und Kommunikation

Neben den abgespalteten Anteilen des inneren Kindes sowie den Antreibern, beeinflusst unsere Familie uns außerdem in unserer Art der Kommunikation und damit auch in der Beziehungsgestaltung. Da wir im Arbeitskontext unentwegt miteinander sprechen, tun wir dies quasi durch den familiär gelernten Filter.

Je nachdem, ob wir zum Beispiel früh gelernt haben eigene Emotionen zu benennen oder uns in den anderen hineinzuversetzen, fällt uns Empathie leicht oder schwer. Ebenso werden die Grundsteine für emotionale Kompetenz in den ersten sechs Lebensjahren gelernt, da wir in dieser Zeit lernen unsere Emotionen selbst zu regulieren. Das lernen wir aber nur, wenn die Eltern uns dabei unterstützen. Denn die nervliche Verbindung im Gehirn zwischen der Emotion (ich bin so wütend, mein Herz rast, ich kann mich nicht kontrollieren) und der eigenen Erklärung dafür (ich wollte gern noch spielen und jetzt ist es schon wieder plötzlich Abend) ist anfangs noch nicht ausgebaut. Das Gefühl wird also in unterschiedlichen Hirnstrukturen verarbeitet. Für die emotionale Selbstregulation braucht es daher die Hilfe von außen durch das Gefühl von Sicherheit (in den Arm nehmen, da sein, beruhigen – nicht selbst wütend werden!) und Übersetzung (du bist jetzt wütend, weil du gern noch weiter spielen möchtest und die Zeit plötzlich schon vorüber ist).

Dieser frühkindliche Lernprozess hat direkten Einfluss darauf, wie empathisch wir als Erwachsene sind, wie wir mit Emotionen umgehen können und ob wir unsere Bedürfnisse klar äußern können. Dies sind alles Kompetenzen, die es zur Konfliktklärung und zum Umgang mit Stress braucht.

Nicht ohne Grund sind Inhalte in Teambuildings mitunter auch konstruktives Feedback zu geben oder gewaltfreie Kommunikation zu lernen. Bei beiden ist ein wesentlicher Baustein die eigenen Interpretationen von der objektiven Wahrnehmung zu trennen und die eigenen Emotionen und Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen. Und manchmal kann sich ein Konflikt oder die Wut bereits auflösen, in dem eine Seite die dahinterliegenden Mechanismen erkennt.

In unserem Beispiel von oben könnte das heißen: Ich nehme wahr, dass mich das pünktliche nach Hause gehen aufregt. Ich erkenne, dass es objektiv betrachtet okay ist, pünktlich zu gehen. Ich hinterfrage meine Emotion (Zorn) und das Bedürfnis, das sich durch diese Emotion mitteilt (Bedürfnis nach Wertschätzung). Ich komme darauf, dass ich mich von meinem Chef nicht gewertschätzt fühle, obwohl ich mir den A…. aufreiße und tausend Überstunden mache. Plötzlich verstehe ich den Zusammenhang zu meinem Antreiber „Streng dich an!“. Ich erlaube mir diesen Antreiber zu entspannen und plane mir auch regelmäßig ein pünktlich Schluss zu machen. Oder ich überlege mir auf dieser Basis ein konstruktives Feedback und suche das Gespräch mit meinem Chef. So oder so wird der innere Konflikt nicht mehr nach außen projiziert. Wenn ich jetzt beobachte wie Kollege XY pünktlich Schluss macht, freue ich mich für ihn und danke ihm, dass ich dadurch was über mich lernen und mich entwickeln konnte.

Okay, dieser Prozess ist jetzt etwas vereinfacht dargestellt. Aber die Grundidee sollte klar werden: Regt dich jemand anderes tierisch auf, gehe in dich und schaue welche Anteile, Antreiber und Bedürfnisse sich bei dir emotional zu Wort melden.

Umgang mit Problemen

Dieser neugierige und nicht wertende Blick nach innen ist häufig allein nicht so leicht. Denn ein weiterer grundlegender Mechanismus aus unserer Familiengeschichte prägt uns mit Problemen auf die eine oder andere Weise umzugehen: Man unterscheidet in der Psychologie sog. Internalisierer oder Externalisierer.

Als Kind wählen wir maßgeblich einen der beiden Bewältigungsstrategien, wenn wir durch eine mangelnde (emotionale) Sicherheit in der Familie überfordert sind. Typische Überforderungen sind natürlich traumatische Erlebnisse, die schon die Eltern kaum bewältigen können und es primär um das wörtliche Überleben geht. Aber auch eine unsichere und emotional nicht nährende Familie führt dazu, dass ein Kind den Schluss zieht: Mit mir stimmt etwas nicht. Inzwischen ist es wissenschaftlich gut erforscht, dass sich Traumata über Generationen hinweg weitervererben. Die Generation der Nachkriegseltern hatte demnach überproportional häufig mit emotional kalten Eltern zu tun. Die Nachkriegsenkel wiederum mit wenig emotional kompetenten Eltern. Dieses Gefühl nicht gut oder geliebt genug zu sein wird dann unbewusst entweder aktiv nach außen gebracht und durch Aggression verschleiert (das „Sorgenkind“) oder nach innen gerichtet.

Internalisierer suchen bei Problemen den Fehler in sich (intern). Sie hinterfragen sich, geben sich noch mehr Mühe, versuchen sich noch besser anzupassen und fressen vieles in sich rein. Dies geht so lang gut, bis auch ihnen entweder der Kragen platzt und dann jeder überrascht ist, weil man ihn oder sie ja so gar nicht kennt. Oder das ständige Reinfressen zu andauerndem psychischen Stress führt, der bekanntermaßen weitreichende Folgen hat. Da sie häufiger zu den beliebten oder ruhigen Kollegen / Kolleginnen gehören, ist es z.B. als Führungskraft umso wichtiger proaktiv nach deren Befindlichkeit zu fragen.

Externalisierer bewältigen innere Konflikte, indem Sie noch mehr provozieren, erst recht ungeliebtes Verhalten zeigen, richtig auf den Deckel hauen. Sie sind lauter und dominanter. In der Arbeitswelt setzt sich dieses Verhalten vermeintlich durch und daher sind es letztendlich auch viele Führungskräfte, die externalisierend mit Problemen umgehen. Dazu kommen dann häufig noch Schuldzuweisungen (ich kann dafür ja nichts).

Warum unsere Familiengeschichte oft ein Buch mit sieben Siegeln ist

Unsere Verhaltensweisen, Interpretationen und Emotionen im Job sind also stark durch unsere Erfahrungen in der Familie während unserer ersten Lebensjahre geprägt worden. Daher geht es im psychologischen Setting nicht ohne Grund häufig auch um familiäre Zusammenhänge und Erfahrungen. Aber warum sträuben sich dennoch viele, wenn man ihnen „mit der Kindheit kommt“, obwohl darin ein Schlüssel zur Lösung liegen kann?

Auch das ist ein Überbleibsel aus der oben beschriebenen Überlebensstrategie in den ersten Jahren den Eltern alles nachzumachen und diese als perfekt anzusehen. Eine wesentliche Entwicklungsaufgabe beim Erwachsenwerden ist die Ablösung aus dem Elternhaus (Herkunftsfamilie). Die eigene Identität und Lebensführung soll nicht auf Basis der alten Familienmuster gestaltet werden. Und doch ist dies zum einen keine leichte Aufgabe und zum anderen führt es dazu, dass es in uns immer noch tief verwurzelt ist, unsere Eltern nicht zu kritisieren. Allein die Einsicht, dass auch diese nicht perfekt sind (wenngleich sie auch versucht haben die besten Eltern zu sein, die sie aufgrund ihrer Geschichte sein konnten), ist das ein entscheidender Schritt zu mehr Selbstbestimmung.

Zudem ist die persönliche Auseinandersetzung mit eigenen prägenden Erlebnissen und auch tiefgreifenden Erfahrungen aus dem Familienstammbaum ein emotionaler Prozess. Diese Reflexion ist auch anstrengend, mitunter schmerzhaft und wird daher gern ausgeblendet. Der Preis dafür ist dann jedoch zumindest einen Teil der Karrierelaufbahn im Blindflug und auf Autopiloten zu fahren, aber dafür ganz so wie Mama und Papa es gern gewollt hätten. Ist es ihnen das wert? Falls nicht, kommt hier das erste Hilfe Kit beim nächsten aufkeimenden Konflikt:

Erste Hilfe für familiären Stress am Arbeitsplatz

  • Wenn Sie spüren, Ihre Emotion kocht hoch (Wut steigt auf, Wangen werden rot, Tränen sammeln sich), versuchen Sie den kognitiven Teil Ihrer Wahrnehmung anzusprechen: Erzählen Sie sich in Gedanken was Sie gerade sehen und was sie aufregt / traurig macht. So bekommen Sie Abstand.
  • Überlegen Sie sich eine Standardausrede für jede Situation (meeting, telco, Kaffeeecke), mit der Sie kurz räumlichen Abstand gewinnen können.
  • Notieren Sie ihre Gefühle und überlegen Sie, wann Sie sich als Kind so oder so ähnlich gefühlt haben.
  • Welches Bedürfnis könnte dahinterstecken (Tipp: meistens Wertschätzung)? Welcher Antreiber (sei gefällig, sei perfekt, sei schnell, streng dich an, sei stark)?
  • Überlegen Sie sich ein konstruktives Feedback ohne Interpretation und Vorwurf und sprechen Sie die Situation an, wenn Sie sich nicht schondurch die Selbsterkenntnis entspannt hat.
  • Seien Sie geduldig mit sich selbst. Diese Muster sind lang und tief eingeprägt und sie können sich nicht in 3 Wochen in Luft auflösen.

Wenn Sie dabei Unterstützung brauchen und neugierig sind, welche Muster Sie in Ihrem Rucksack mit zur Arbeit nehmen (und Sie auch wiederum an Ihre Kinder weitergeben), kontaktieren Sie mich gern.

Wenn das Kennenlerngespräch für beide Seiten passt, machen wir uns an die Arbeit: Gemeinsam gehen wir auf Entdeckungstour zu Ihrem inneren Kind, Ihrem Familienportrait, Ihren Antreiber und den Konsequenzen für Ihre Karriere.

Hier geht´s zur Terminvergabe für ein kostenfreies und persönliches Vorgespräch mit mir.

Für ein glückliches Arbeitsleben!

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